Was du besser darüber weißt: Wozu Kreuzheben mit dem breiten Griff? Was verändert sich? Worauf ist zu achten? Was sind Einschränkungen? Vorteile? Legen wir los.
Vorweg: Das ist keine Übung, die man mal eben so oder aus Spaß in sein Training integriert. Hier gibt es zwar einige Vorteile, aber auch eine Menge Verletzungspotenzial. Dieser Artikel hier wird dir einige Anhaltspunkte liefern, worauf du achten kannst – ob du allerdings alles so umsetzt, ist für dich schwierig nachvollziehbar.
Beim Kreuzheben im Reißgriff (Snatch Grip Deadlift) wird in etwa so weit gegriffen, dass die Hantel bei gestreckten Beinen in der Hüftbeuge liegt. Die Übung erinnert an den breiten Zug beim olympischen Reißen – muss aber nicht zwangsläufig mit der gleichen Technik ausgeführt werden. Die Frage, die du dir grundsätzlich erstmal stellen solltest, bevor du eine so spezielle Übung in dein Training integrierst ist: Was bringt sie dir?
Grundsätzlich bringt der Snatch Grip mehr Spannung auf die gesamte Rückenmuskulatur und alle Anteile des Trapezius. Eine gute Möglichkeit, den Rücken zu trainieren, wenn z. B. der Bizeps verletzt ist. Beinbeuger, Gluteus und teilweise Quadrizeps werden ebenfalls trainiert. Durch den breiten Griff ist der Bewegungsumfang deutlich größer als beim konventionellen Kreuzheben, wenn du vom Boden startest – dadurch wirst du dabei möglichweise in der Startposition stärker. Aber VORSICHT: Fast niemand bringt die Beweglichkeit in der Hüfte mit, um in der Startposition am Boden die Wirbelsäule in Neutralstellung zu halten. Die Ursachen und Risiken (insbesondere für die Bandscheiben) dieses Problems habe ich bereits in einem anderen Artikel beleuchtet. Zwar kannst du beim Kreuzheben im Reißgriff deine Standbreite anpassen, ohne dass deine Knie und Arme sich behindern – und damit deiner Hüftanatomie entgegenkommen – limitierend bleibt aber nach wie vor der maximale Flexionswinkel deiner Hüfte! WTF?
Was das für die Praxis heißt
Dass du, genau wie bei der Kniebeuge, konventionellem oder Sumo-Kreuzheben den Bewegungsumfang der Übung an deine Anatomie anpasst: Du hebst also ggf. von einer Erhöhung. So hoch, dass du über Hip Hinge und Knievorschub die Hantel erreichen kannst, während die Neutralstellung der Wirbelsäule gehalten wird. Keine Bewegung in der Wirbelsäule!
Aber was, wenn du Gewichtheben, Crossfit oder sonstwas machst? Und im Wettkampf vom Boden heben musst? Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, du suchst dir einen anderen Sport. Oder aber, du trainierst von der Erhöhung, stärkst die hüftstreckende Muskulatur durch andere Übungen und hebst nur im Wettkampf auf Risiko. Das ist Risikominimierung.
Anmerkung: Auch die Profi-Gewichtheber heben oft rund – nicht nur Lasha, bei dem es extrem auffällt. Das geht mit etwas Glück einige Jahre oder sogar eine ganze Karriere lang gut, z. B. wenn man von Natur aus besonders dicke Bandscheiben hat. Allerdings sind Bandscheibenvorfälle keine seltene Verletzung im Gewichtheben. Also überleg dir, ob du rausfinden willst, was deine Bandscheiben aushalten oder ob du lieber sicher hebst.
Ok, besprechen wir den Rest des Setups.
Bis hierhin halten wir fest: Standbreite und Höhe der Startposition sind nicht allgemein festlegbar, sondern von der individuellen Anatomie abhängig. Sowohl beim olympischen Reißen als auch beim Kreuzheben im Reißgriff ist es kaum möglich, im Übergriff viel Gewicht zu halten. Bitte nutz auch bloß nicht den Kreuzgriff;) Stattdessen kannst du hier mit dem Hookgrip/Klemmgriff arbeiten, bei dem der Daumen eingeklemmt wird.
Wenn du mehr als eine oder vielleicht noch drei Wiederholungen machen willst, ist das aber auch kein Spaß. Nimm einfach Zughilfen. Genau für solche Übungen machen sie Sinn.
Übrigens: Der Hookgrip tut mit einem professionellen Tape direkt weniger weh – und es ist sogar ziemlich günstig.
Wo liegt die Hantel? Nah am Schienbein? Überm Mittelfuß? Es kommt drauf an. Worauf? Von welcher Höhe du hebst. Wie beweglich deine Hüfte ist. Wie beweglich dein Sprunggelenk ist. Tendenziell liegt die Hantel beim Snatch Grip Deadlift aber über dem Mittelfuß. Die Schulter ist in der Startposition vor der Hantel – noch weiter davor als beim konventionellen Kreuzheben.
Spannungsaufbau
Ja, wie kommst du in die endgradige Flexionsstellung deiner Hüfte? Du kannst im Stand starten und die Spannung aufbauen, wie bei der Kniebeuge. Die Atemtechnik ist Basic. Wenn du die nicht drauf hast, trainier was anderes. Danach beugst du die Hüfte soweit du kannst, wenn du dann noch nicht an die Hantel kommst, kannst du anfangen, die Knie vorzuschieben. Keine Bewegung im Rücken. Kein Ausatmen. Du kommst nicht an die Hantel? Dann leg sie höher.
Die andere Möglichkeit ist, die Spannung aus der tiefen Hocke aufzubauen – wenn du da rein kommst. Du gehst das gesamte Kniebeugen Setup durch und hockst dich vor die Hantel. Vermeidest natürlich Fehler bei der Kniebeuge. Greifst die Hantel in deiner Griffbreite. Schiebst die Hüfte so weit nach oben, wie es ohne Bewegung in der Wirbelsäule möglich ist. Bringst etwas Spannung auf die Hantel (Slack rausziehen). Und beginnst mit der:
Konzentrik
Den Hip Drive erzeugst du entweder über den gesamten Fuß, fürs Gewichtheben tendenziell stärker über den hinteren Teil vom Fuß. Während der Bewegung bewegen sich die Knie nach außen, wenn deine Hüfte das zulässt. Sobald die Hantel über Kniehöhe ist, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, die Bewegung zu beenden. Entweder: Durch Unterschieben der Knie unter die Hantel, Aufrichten des Oberkörpers und anschließendes Strecken der Beine und Hüfte. Diese Variante ist für Gewichtheber sinnvoll, da sie dem Zug beim Reißen näher kommt. Oder: Durch eine Hüftstreckung ohne Knie Unterschieben. Letztere Variante ist interessant für Powerlifter, die
einen schwachen Rücken haben, der sie beim Kreuzheben limitiert. Wenn du einfach so trainierst oder das Kreuzheben im Reißgriff verletzungsbedingt einsetzt, ist es egal, welche Variante du wählst. Möglicherweise kommst du nicht in eine Lockout Position, kannst die Hüfte also nicht komplett strecken. Für diesen Fall solltest du die Luft anhalten ODER keine Spannung bei der exzentrischen Phase (dem Ablassen) haben, die Hantel also fallen lassen.
Exzentrik
Führe die exzentrische Bewegung beim Kreuzheben im Reißgriff nur in dem Bewegungsumfang aus, in dem du auch maximale Bewegungskontrolle in deiner Wirbelsäule hast. Bewegt sich dein Rücken? Dann die Hantel fallen lassen.
Zusammenfassung
Der Snatch Grip Deadlift ist eine hervorragende Übung für fast die gesamte Muskulatur der Körperrückseite. Der Einsatz kann auch außerhalb vom Gewichtheben stattfinden, allerdings besteht bei Technikfehlern ein hohes Verletzungsrisiko.
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Viele Grüße
Vincent Braukämper
Strength & Performance Coach, Dozent, Bestseller Autor