Kreuzheben ohne Bandscheibenvorfall

Das will jeder. Denn Deadlifts machen stark und sind für viele Athleten die Königsübung. Vielleicht ist diese Abwägung einen eigenen Artikel wert, aber an dieser Stelle möchte ich Dir eines meiner Learnings als Coach und Athlet quasi nebenbei mitgeben: So oft hörst Du, die Kniebeuge sei die Königin. Die Haupt Kraftübung. Meine Erfahrung hat aber gezeigt, dass es bei vielen Leuten stattdessen das Kreuzheben ist. Deswegen der random Tipp: Schau, ob Dir Squat oder Deadlift als Basis besser dient.

In diesem Artikel erfährst Du, wie Du sicher heben kannst, sodass Du das Risiko einer Bandscheibenverletzung minimierst.
Dafür starten wir mit ein paar Basics und gehen am Ende des Artikels auf essenzielle technische Aspekte ein, welche die meisten Sportler und auch Trainer nicht oder nur fehlerhaft kennen. Info-Boost coming in.

Kreuzheben ist keine Rückenübung

Aller Aufklärung zum Trotz glauben immer noch so viele Leute, dass Kreuzheben für den unteren Rücken wäre. Ich sag Dir was: Wenn Du Kreuzheben im unteren Rücken am meisten spürst, machst Du es falsch.
Das heißt nicht, dass der untere Rücken bei Deadlifts nicht trainiert wird. Aber er arbeitet nicht dynamisch, sondern statisch. Stabilisierend. Als Teil der haltenden Rumpfmuskulatur.

Kreuzheben ist eine Beinübung?

Eine Übung der gesamten hinteren Kette. Der Fokus liegt dabei auf der dynamischen Kontraktion in Glutes und Hamstrings (Po und Oberschenkelrückseite). Auch der Lat kontrahiert etwas dynamisch, wenn Deine Technik gut ist. Du kannst es also definitiv als Unterkörper Übung berücksichtigen und darfst gleichzeitig davon ausgehen, dass es Deinen Latissimus stark ermüden kann.

Macht Kreuzheben Bandscheibenvorfälle?

Bei wiederholter falscher Ausführung besteht diese Gefahr.
Dabei ist nicht einmal das Gewicht ausschlaggebend, sondern die wiederholte Belastung, die zu einer Degeneration des äußeren Fasserringes der Bandscheibe führt. Dabei ist Kreuzheben allein selten das Problem. Es ist viel mehr die Kombination aus viel Sitzen und wenig Bewegung im Alltag, mittelmäßiger Ernährung und einem ungeeigneten Warmup. All dies plus etwas Pech können dann schnell das Fass zum Überlaufen bringen.

Leider gibt es in der sogenannten evidenzbasierten Physiotherpie sehr viele Protagonisten, die ein stark begrenztes Verständnis der Wirbelsäulenmechanik haben, Studien nicht im Kontext interpretieren und selbst keine bis wenig Erfahrung mit schwerem Kreuzheben und dessen Coaching haben. Diese behaupten oft, rundes Kreuzheben (mit gebeugter Lendenwirbelsäule) sei sicher und bringen Laien damit in ernsthafte Gefahr für Bandscheibenverletzungen.

An dieser Stelle werde ich die Datenlage dazu nicht aufgreifen, da dieser Artikel für den trainierenden Endverbraucher sein soll.
Nun, schauen wir uns noch kurz die andere beliebte These an…

Schützt Kreuzheben vor Bandscheibenvorfällen?

Kreuzheben macht die Rückeschmerzen weg. Wie oft hast Du das schon irgendwo gelesen?

Dafür schauen wir uns die folgenden drei Punkte mal an:

  1. Rückenschmerzen können durch zu wenig Bewegung entstehen.
    Wenn Du anfängst Sport zu machen und den Rücken zu kräftigen – auch durch Kreuzheben – kann das die Schmerzen beseitigen.
  2. Wenn Deine Rückenschmerzen von einem akuten BSV stammen, verschlimmerst Du ihn potenziell durch Kreuzheben und verhinderst, dass er abheilt. Gleiches gilt übrigens für alle Aktivitäten (oder Passivitäten), bei denen ein hoher axialer Druck auf die Wirbelsäule wirkt oder Du sie beugst: Sitzen, Kniebeugen, Überkopfdrücken, tragen, …
  3. Wenn Du mit guter Technik Kreuzheben kannst und darin Kraft aufbaust, ist das gut für Deine Bandscheiben und Deine Rückenmuskulatur. Damit es Dich schützen kann ist es allerdings essenziell, dass Du die gute Hebetechnik auch auf Alltagsbewegungen überträgst. Setzt Du all dies um, so kann das Kreuzheben die Wahrscheinlichkeit eines Bandscheibenschadens signifikant senken und Dich entsprechend schützen.

Die wichtigsten Punkte zum Deadlift

1. Vergiss den Stock – gerader Rücken hilft nicht

Viele Coaches laufen mit ihrem Holzstab rum, legen ihn auf den Rücken ihrer Coachees und schauen, ob der beim Heben gerade bleibt. Zugegeben, das kann die Ansteuerung etwas verbessern. Dieses Tool ist also nicht grundsätzlich falsch.
Es sollte aber nicht als Maßstab dafür genommen werden, ob die Lendenwirbelsäule in Neutralstellung ist.

Rückenschmerzen durch Hohlkreuz
Keine Überstreckung (Hohlkreuz). Und vor allem kein vorgekipptes Becken, weil es zwangsläufig zu einer Beugung der LWS führt. Weder oben noch unten.

2. Neutralstellung und fixierte Wirbelsäule

Damit Du sicher Kreuzheben machen kannst, ist die Basis:

  1. Die Lendenwirbelsäule ist in Neutralstellung oder einer leichten Streckung (kein übertriebenes Hohlkreuz).
  2. Die Wirbelsäule wird vor dem Lift verankert und bewegt sich nicht.

Alle anderen Varianten sind eventuell für Profi Kraftsportler im Wettkampf spannend, aber erhöhen Dein Verletzungsrisiko.

Grund: In Neutralstellung oder leichter Lordose schließen die Facettengelenke und leiten Scherkräfte von den Bandscheiben ab. Sie sichern quasi den Bandscheibenkern:

Eine sehr vereinfachte Darstellung der Bandscheibe (links) und eines Segments der Lendenwirbelsäule (rechts). Bei Flexion ist der Facettengelenksverschluss offen, in Neutralstellung oder Überstreckung geschlossen.

3. Stand: Konventionell (enger Stand) oder Sumo?

Sumo is cheating. Toxischer Satz, der schon viele ihre Bandscheibenkerne gekostet hat. Tatsächlich ist der Lastarm auf den unteren Rücken und die Hüfte beim Sumo Kreuzheben etwas geringer. Heißt: Es kann mit identischer Muskelkraft oft mehr Gewicht bewegt werden. Dennoch sind einige Weltrekorde konventionell, also im engen Stand, gehoben worden. So wild ist das also nicht.

Viel wichtiger ist: Welcher Stand passt zu Dir?
Denn das ist genetisch vorgegeben. Es hat mit der Anatomie Deiner Hüfte zu tun. Je nachdem, wie Dein Oberschenkelhals und Dein Hüftgelenk aufgebaut sind, kommst Du nur im Sumo, Semisumo oder konventionellen Stand mit sicherem Rücken an die Langhantel.

Um dies zu ermitteln, nutze ich in Einzelsessions und auch zum Start im Elite Coaching ein spezielles Hip-Socket-Assessment.
(Ähnliche Assesssments nutzen wir übrigens auch für das Schultergelenk.)

Erst danach macht es Sinn, weitere Details einzustellen. Es ist die absolute Basis – übrigens auch für die Kniebeuge.

4. Schulterposition – runder Rücken beim Kreuzheben?

Der häufigste Fehler beim Deadlift, den viele Coaches sogar noch ihren Kunden beibringen, ist: Zieh die Schulter nach hinten.

Dieser Cue ist besonders gefährlich, weil der Kunde das Gefühl hat, die hintere Kette anzuspannen – die Schulterposition aber nichts mit der Position der Wirbelsäule zu tun hat. Fakt.

Warum denn die Schulter nicht nach hinten?
Weil das den Weg beim Deadlift verlängert und oft mit einer Beugung der Lendenwirbelsäule kompensiert wird.
Ergo: Weniger Gewicht, aber höheres Risiko für Bandscheibenvorfälle.
Also lass den Quatsch.

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Stattdessen gehört die Schulter nach unten und von mir aus auch nach vorne.

Dann sieht der Rücken aber rund aus.
Na und? Es geht nicht darum, wie der aussieht, sondern ob die Lendenwirbelsäule in Neutralstellung verankert ist. Das mag erstmal kontraintuitiv klingen, ist aber so.

5. Bereite Deine Bandscheibe vor

Ich habe das in einem anderen Artikel schonmal beschrieben, der mittlerweile knapp 10.000 Aufrufe hat. Das Thema scheint also heiß zu sein, also greifen wir es hier nochmal auf.

Ein Bandscheibenvorfall (Prolaps oder Protusion) geht mit einer Verletzung des Faserringes der Bandscheibe und einem (partialen) Austritt des Bandscheibenkerns einher. Dieser austretende Kern kann einerseits auf Nerven drücken und diese sogar beschädigen (Funktionsausfälle), andererseits verliert die Bandscheibe ohne ihren Kern ihre stoßdämpfende Wirkung für die Wirbelkörper.

Die Bandscheibe ist ein dynamisches System. Beugst Du Dich nach vorn, verschiebt sich der Bandscheibenkern nach hinten (zum Rücken hin). Beugst Du Dich zur Seite, so verschiebt er sich zur gegenüberliegenden Seite. Und überstreckst Du Dich, so verschiebt sich der Bandscheibenkern zum Bauch.

Die meisten Bandscheibenvorfälle passieren zum Rücken hin (dorsal). Heißt im Klartext: Der Bandscheibenkern war nach hinten verschoben und gleichzeitig kam hoher axialer Druck auf die Wirbelsäule (Kreuzheben? Kniebeugen?) und/oder die Person hat die Wirbelsäule gebeugt (rund gehoben? runde Kniebeuge)?

Dieser Verletzungsmechanismus ist vermeidbar.

Indem Du dafür sorgst, dass die Bandscheibenkerne zentriert oder Richtung Bauch verschoben sind, bevor Du mit Gewichten trainierst! Dazu gibt es das McKenzie Assessment. Führe 4 X 4 Sekunden diese Kobra durch und beuge danach den Rücken nicht mehr. Heißt: Kein Sitzen zwischen den Sets, kein runder Rücken beim Gewicht aufbauen… ja, das ist einiges zum drauf achten. Aber easy, wenn man sich dran gewöhnt.

Das sieht dann so aus.

6. Richtige Atmung beim Deadlift

Wie auch beim Squat gilt: Nutze Valsalva, Powerbreathing oder 360° Breathing. Du atmest in den Bauch, spannst den Rumpf an und hältst diese Spannung und Luft bis über den schwersten Punkt.

Auch hier könnte ich sehr viel weiter ins Detail gehen, aber an dieser Stelle hast Du bereit so viel mehr Wissen als die meisten Coaches und Sportler, die da draußen rumlaufen, dass ich nur sagen kann: Wenn Du das richtig umsetzt, bist Du safe.

Und wenn Du willst, dass ichs Dir zeige:
vincent@intelletics.com
oder Whatsapp
+49 1575 6260464
biete ich dazu auch individuelle Sessions an, wenn ich in Deutschland bin.
Frag am besten einfach nach und hebe stark und sicher!

Beste Grüße
Dein Vincent

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