Eisbaden und kaltes Wasser – was es wirklich mit Dir macht.

Mehr Kraft, bessere Regeneration, ein unzerstörbares Immunsystem und die mentale Härte eines Shaolinmönches? Eisbaden ist nichts Neues. Schon die Vikinger taten es und auch für mich ist es seit knapp 8 Jahren eher Routine als ein Event. Durch die Methoden des „Iceman“, Wim Hof, nahm die Popularität des Kaltbadens in den letzten Jahren zu und diesen Winter… naja, da ist es ein Trend. Ein guter?

Die Mythen ums Eisbaden sind zahllos. Bringen wir Licht ins Dunkel: Was bringt das kalte Wasser wirklich? Wissenschaft und Praxis.


Dem Eisbaden werden viele positive Eigenschaften zugeschrieben.

Vieles wird dabei durcheinander gebracht. Manche der Effekte sind Mythen, manche haben nichts mit der Temperatur zu tun. Zum Beispiel?

Neuronale Effekte

Allein der Kontakt mit Wasser hat bereits neuromuskuläre Effekte. Elektromygrafische Aktivitäten, die bei maximalen Kontraktionen produziert werden,  reduizieren sich im Wasser um 11-35% und es kann teilweise sogar 13% weniger freiwillige Kontraktionskraft abgerufen werden (Pöyhönen et al. 2002, Pöyhönen et al. 1999). Die Reduktion neuromuskulärer Aktivierung kann daher für geringere wahrgenommene Ermüdung sorgen – also doch (k)eine bessere Regeneration? Moment.

Druck auf den Zellen

Ein weiterer Faktor ist der hydrostatische Druck. Je tiefer Du ins Wasser gehst, desto stärker wird er. Und was passiert dadurch? Unabhängig von der Temperatur sorgt er dafür, dass sich Deine Herzleistung erhöht, der Muskelblutfluss und die Diffusion metabolischer Abfallprodukte vom Muskel ins Blut sich verstärkt und sich außerdem möglicherweise den Transport von Sauerstoff und Nährstoffen zu den erschöpften Muskeln verbessert (Becker 2004). Weiterhin verringert hydrostatischer Druck möglicherweise entstandenen Muskelschaden. Ein positiver Einfluss auf die Regeneration ist dadurch wahrscheinlich (Poppendieck et al. 2013, Wilcock et al. 2006 und Nakamura et al. 1996).

So viel erst einmal zum Thema Baden, ganz unabhängig von der Temperatur. Um von den Vorteilen des hydrostatischen Drucks zu profitieren, ohne sich nass zu machen, ist Kompressionskleidung übrigens möglicherweise eine Alternative 😉


Warm- oder Kaltbaden?

Beides wurde bereits ausgiebig erforscht. Wärme schneidet dabei deutlich weniger gut ab als Kälte (Vaile et al. 2008, Pournout et al. 2011) und kann ab bestimmten Temperaturen sogar negative Effekte auf den Testosteronhaushalt haben, da die Produktion des für den Steroidhaushalt essenziellen StAR-Proteins signifikant reduziert werden kann (Hwang et al. 2010).

Ok, also Kälte. Wie kalt? In den meisten Studien wird mit 10-15° Wassertemperatur gearbeitet und von „Kälte“ gesprochen (Wilcock et al. 2006, Poppendieck et al. 2013). Wenn Du im Winter schwimmen gehst, ist es also deutlich kälter (heute morgen hatte das Wasser z. B. 4 Grad). So, jetzt wird es schon dünn. Es gibt zahlreiche Studien, Kälte sowohl mit als auch ohne Auswirkungen hydrostatischen Drucks untersucht haben.

Eisbaden für Regeneration und Muskelaufbau


Eines der spannendsten Ergebnisse zum Kaltbaden?

Kälte deaktiviert anabole Signalwege!

Nein. Doch. Oh – wirklich? Vielleicht. Wer nur Abstracts liest, könnte auf die Idee kommen. Bevor ich nun detailliert auseinandernehme, was bei Kälteexposition passiert und wie Du sie wirklich für Dich nutzen kannst, eine Message: Wenn Du etwas von mir liest – diesen Artikel, ein Buch oder irgendetwas Anderes – dann kannst Du davon ausgehen, dass ich diverse Studien dazu VOLLSTÄNDIG gelesen und verstanden habe, mir ein Gesamtbild gemacht habe und die Ergebnisse im Zusammenhang interpretiere. Mein erstes Buch, Intelligent Essen, bekommst Du momentan übrigens hier. Ich gebe nicht überall jede Studie an, weil das 10X so viel Arbeit ist und fast niemanden interessiert – doch in diesem Artikel bekommst Du alle Quellen.

Eisbaden führt zu Muskelverlust statt Regeneration?

Ok, es konnte gezeigt werden, dass nach Kaltwasserimmersion (10°, 20 Minuten – nur Unterarme im kalten Wasser) in Kombination mit einem Unterarm-Trainingsprotokoll die Massezuwächse und die vaskulären Anpassungen einer Kontrollgruppe ohne kaltes Wasser besser ausfielen (Yamane et al. 2015). Diese theoretischen Ergebnisse können spannend für Dich sein, wenn Du regelmäßig 20 Minuten lang im 10° kalten Wasser bist.


Aber es gibt noch mehr zu Eisbaden und Muskelaufbau…

In einer anderen Studie gab es Beintraining und anschließend 10 Minuten im 10° kalten Wasser für die Probanden (Roberts et al. 2015). Und wieder erscheinen die Ergebnisse auf den ersten Blick – und nur auf den – eindeutig: Die Kontrollgruppe (ohne Kaltwasser, dafür Warmduschen und aktive Regenerationsmaßnahmen) hatte bessere Kraftzuwächse. In einer weiteren Studie zeigten zudem Biopsien, dass die Aktivität der Satellitenzellen sogar 48 Stunden nach der Kältebehandlung noch reduziert war (Satellitenzellen bilden Muskelzellen – also essenziell für Muskelaufbau). Also 48 Stunden lang kein Muskelaufbau durch Eisbaden?

Aber Vorsicht…

Das könnte man lediglich meinen, wenn man Die Studie nicht vollständig liest. Und so entstehen Mythen. Allerdings ist hier ein ganz entscheidendes Detail: Die Gruppe der Sportler, die ins kalte Wasser ging, durfte sich ZWEI Stunden lang nicht erwärmen und bewegen, um die Kühlung der Muskulatur zu erhalten. Und nur für genau dieses Szenario ist diese (vielzitierte) Studie auch aussagekräftig. Es ist NICHTS darüber bekannt, wie sich ein kurzer Aufenthalt im kalten Wasser in Kombination mit aktiven Regenerationsmaßnahmen auf Kraft- und Muskelaufbau auswirkt.

Aufwärmen nach dem Kaltbaden


Na toll, sind wir jetzt genau da, wo wir vorher waren?

Nein, wir wissen an dieser Stelle, dass wir auf Kaltwasser für mehr Kraft oder Muskelaufbau nicht zu setzen brauchen – es aber auch nicht verkehrt sein muss, wenn wir uns anschließend bewegen. Ob dies dann nutzt, schadet, oder keine Auswirkungen hat, kann man auf Grund der aktuellen Datenlage nicht beurteilen.
Durch Muskelschaden induzierte Entzündungsvorgänge werden durch Kälte evtl. reduziert – das ist nicht cool, um aufzubauen, aber z. B. in einem Turnier von Bedeutung. Heute alles gegeben und morgen der nächste Gegner? Da willst Du keinen Muskelkater haben. Um am nächsten Tag wieder fit zu sein, ist das Eiswasser also ein effektives Tool. Und das ist gerade mal der Anfang.


Hormonelle und mentale Effekte des Kaltbadens.

Eisbaden ist akuter Stress – zu allermindest auf der körperlichen Ebene. Ist das schlecht? Dann wäre auch Training schlecht. Stress ist ein körperliches Grundbedürfnis und ein Wachstumsreiz. Es konnte sogar gezeigt werden, dass kaltes Duschen („kalt“…20°C) gegen Depressionen helfen kann (Shevchuk 2007) – Kältebehandlungen nach dem Training können aber ebendiese aber auch auslösen (Schimpchen et al. 2017). Allgemeingültige Ergebnisse gibt es nicht – also nicht die eine Wahrheit, sondern einfach individuelle Unterschiede.

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Kaltbaden und Stresshormone

Für den einen oder anderen vielleicht spannend: Kaltwasser Behandlungen führen nicht zu erhöhten Cortisol Spiegeln, wohl aber zur vermehrten Ausschüttung von von Dopamin und Noradrenalin und einer entsprechend erhöhten Aktivität des sympathischen Nervensystems (Sramek et al. 2000) – nach so einer Kaltwassersession kannst Du schonmal richtig drauf, aktiviert und energievoll sein.

Bevor wir zum Finale bzgl. des mental Games kommen, ein letzter Aspekt.


Eisbaden Gesundheit und Immunsystem.

Über Eines kannst Du Dich definitiv freuen: Dein Immunsystem wird durchs Eisbaden besser. Die Produktion weißer Blutkörperchen wird angeregt. Du wirst widerstandsfähiger.

Außerdem wird die Produktion braunen Fettgewebes getriggert, welches nicht nur da ist und schwabbelt, sondern stoffwechselaktiv ist und Energie produziert – frierst also weniger bzw. Dir wird auch im Alltag schneller warm.

Dass all dies zusammen ein günstigeres Umfeld für einen hohen Energieverbrauch und somit auch Fettverbrennung schafft, liegt auf der Hand. Shredded durch kaltes Wasser? An professionellem Training wirst Du nicht vorbei kommen, wenn Du im Sommer keine Wurst, sondern eine Maschine sein willst.

PS: Wenn Fettverbrennung ein spannendes Thema für Dich ist, lies unbedingt mal diesen Artikel.


Kaltes Wasser und WAHRE STÄRKE.

Was nutzt ein 80 kg Klimmzug oder ein 300 kg Deadlift, wenn Du vor Schreck erstarrst und Dir ins Hemd machst, wenns mal ernst wird?

Es gibt immer wieder mal Situationen im Leben, in denen Dein Herz rast, Dir die Luft wegbleibt oder Du einfach den Boden unter den Füßen verlierst. Sei es eine harte Verhandlung, ein Schicksalsschlag, ein körperlicher oder verbaler Angriff, ein Unfall oder sonst irgendwas.

In so einer Situation cool bleiben? Kannst du beim Kaltbaden üben. Wenn Du es noch nicht kennst: Die ersten Male gehst Du rein (hoffentlich – sei nicht die Pussy, die davorsteht und es dann doch nicht macht!) – Schritt für Schritt. Du willst nicht weiter, aber Du gibst nicht auf. Gewinner geben nicht auf.

Du kämpfst, statt zu flüchten. Die Kälte trifft Dich wie ein Hammer und greift nach Deinen Gliedern. Du fängst an, hektisch zu atmen – NEIN. Du konzentrierst Dich und atmest ruhig! Du bist der Boss. Stresssituation, Überlebenssituation. Aber Du beherrscht Deinen Atem. Und bleibst im Wasser. Bleibst ruhig. Gehst würdevoll und langsam wieder raus. Dein Körper brennt. Du bewegst Dich etwas. Ein Hitzeschub folgt. Du fühlst Dich unfassbar stark. Und gehst nochmal rein. Jetzt fühlt es sich schon viel besser an und Du kannst die Atmung deutlich schneller kontrollieren.

Wenn Du das über ein paar Wochen regelmäßig getan hast, fällt es Dir schnell immer leichter, den Atem fast sofort zu kontrollieren und Dich entspannt der Kälte anzuvertrauen. Du weiß, Du beherrschst Deinen Körper. Und hast ein weiteres Stück Deines Geistes erobert- CONQUER mind & body!

Du trainierst, in einer Stresssituation die Kontrolle zu bewahren. Das kannst Du auf absolut jeden Lebensbereich übertragen. Ein paar ruhige Atemzüge. Und Du weißt: Du hast alles im Griff und kannst rational und stark reagieren.


*Verwendete Literatur am Ende des Artikels


Fazit zum Kaltbaden?

Kaltes Wasser ist also nichts für Jeden. Es ist auch nicht alternativlos. Aber wenn man weiß, wie und wozu man es einsetzen kann, ist es ein extrem effektives Tool für mehr körperliche und mentale Stärke. Wenn Du bis hierhin gelesen hast, bist Du wahrscheinlich jemand, der Dinge durchzieht und legst zudem Wert auf fundierte Informationen. Die bekommst Du bei mir und darauf – sowie auf der Erfahrung der letzten 12 Jahre – sind sämtliche meiner Konzepte aufgebaut. Um wahre Stärke auf- und auszubauen, arbeite ich mit 3 Säulen: Mindset, Training und Ernährung. Hier bekommst Du das Maximum davon.

Wenn Du einen weiteren Biohack suchst, mit dem Du Muskeln schützen, Hunger reduzieren und Dein mentales Game leveln kannst, solltest Du Dir unbedingt mal meinen 3K-Energy-Artikel durchlesen – Du wirst begeistert sein!

Herzliche Grüße
Dein Vincent Braukämper
Gründer von Intelletics (IG: Intelletics_vincent)
und seit 2023 auch frei_stark_echt


Strength & Performance Coach,
Dozent und Bestseller Autor.


Verwendete Literatur

Becker B. E. (2004): Biophysiologic aspects of hydrotherapy. In: Cole A.J.; Becker B.E., Comprehensive aquatic therapy. Zweite Auflage. Philadelphia: Butter-worth Heinemann; 2004; 19–56.

Hwang, E. C., Min, K. D., Jung, S. I., Ryu, S. B., Ahn, K. Y., Lee, K., & Park, K. (2010): Testicular Steroidogenesis Is Decreased by Hyperthermia in Old Rats. In: Urologia Internationalis, 84(3), 347–352.

Nakamura, K., Takahashi, H., Srhmai, S., & Tanaka, M. (1996): Effects of immersion in tepid bath water on recovery from fatigue after submaximal exercise in man. In: Ergonomics, 39(2), 257–266.

Pöyhönen, T., Keskinen, K. L., Hautala, A., Savolainen, J., & Mälkiä, E. (1999): Human isometric force production and electromyogram activity of knee extensor muscles in water and on dry land. In: European Journal of Applied Physiology and Occupational Physiology, 80(1), 52–56.

Pöyhönen, T., Avela, J.(2002): Effect of head-out water immersion on neuromuscular function of the plantarflexor muscles. In: Aviation Space Environmental Medicine, 3(12), 1215-8.

Poppendieck, W., Faude, O., Wegmann, M., & Meyer, T. (2013): Cooling and Performance Recovery of Trained Athletes: A Meta-Analytical Review. In: International Journal of Sports Physiology and Performance, 8(3), 227–242.

Pournot, H., Bieuzen, F., Duffield, R., Lepretre, P.-M., Cozzolino, C., & Hausswirth, C. (2010): Short term effects of various water immersions on recovery from exhaustive intermittent exercise. In: European Journal of Applied Physiology, 111(7), 1287–1295.

Roberts, L. A.; Raastad, T.; Markworth, J. F.; Figueiredo, V. C.; Egner, I. M.; Shield, A.; Cameron-Smith, D.; Coombers, J. S.; Peake, J. M. (2015): Post-exercise cold water immersion attenuates acute anabolic signalling and long-term adaptations in muscle to strength training. In: Journal of  Physiology 593(18), 4285-4301.

Schimpchen, J., Wagner, M., Ferrauti, A., Kellmann, M., Pfeiffer, M., & Meyer, T. (2017): Can Cold Water Immersion Enhance Recovery in Elite Olympic Weightlifters? An Individualized Perspective. In: Journal of Strength and Conditioning Research, 31(6), 1569–1576.

Shevchuk, N. A. (2008): Adapted cold shower as a potential treatment for depression. In: Medical Hypotheses, 70(5), 995–1001.

Šrámek P., Šimečková M,. Janský L, Šavlíková J., Vybíral S. (2000): Human physiological responses to immersion into water of different temperatures. In: European Journal of Applied Physiology, 81(5), 436–442.

Vaile, J., Halson, S., Dawson, B. (2008): Effect of Hydrotherapy on Recovery from Fatigue. In: International Journal of Sports Medicine, 29(7), 539-544.

Wilcock, I. M., Cronin, J. B., & Hing, W. A. (2006): Physiological Response to Water Immersion. In: Sports Medicine, 36(9), 747–765.

Yamane, M., Ohnishi, N., & Matsumoto, T. (2015): Does Regular Post-exercise Cold Application Attenuate Trained Muscle Adaptation? In: International Journal of Sports Medicine, 36(08), 647–653.

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